Niemals habe ich soviel gedacht, niemals so richtig gelebt, nie bin ich so ich selbst gewesen wie auf Reisen. Wenn ich am gleichen Fleck bleibe, kann ich nicht denken. Es ist notwendig, dass mein Körper sich bewegt, um meinen Geist zu bewegen. Der Blick auf die Landschaft, der Reigen lieblicher Aussichten, die freie Luft, die Abschüttelung all dessen, was mich in Abhängigkeit hält, weitet meine Seele und macht mich kühn im Denken.
(Jean Jacques Rousseau)

Ich sitze im Flugzeug, schaue auf verschneite Hügel, erfreue mich des Anblicks und frage mich wieder mal, was diesen Reiz des unterwegs sein ausmacht. Und noch während ich mein Notizbuch auspacke, wird mir klar, dass dieser Blick von oben aus dem Flugzeug für mich ein eine Metapher darstellt. Ich “erhebe” mich über die Dinge und kann sie dadurch reflektieren, bin aber dadurch gleichzeitig nicht mehr Teil dessen. Oder wie meine Freundin D. so schön sagt, beim Reisen ist man Zaungast. Besonders stark ist dieses Gefühl bei langen Zugfahrten oder noch besser Busfahrten, wo lesen nur kurzfristig eine Option ist.

Werden die Fortbewegungsmittel langsamer, führt mich die Reflektion immer stärker auf mich selbst zurück, bewege ich alles was mich beschäftigt in meinen Kopf hin und her, analysiere mich und meine Umgebung von vorne und hinten, bis sich alles von selbst auflöst und ich nur mehr gehe oder rad fahre – und sonst nichts – welch ein Genuss. Und das ist wohl auch der Grund, warum Pilgern in allen Weltreligionen so einen hohen Stellenwert hat.