Indien ist wie eine Wundertüte. Eine – nein unendlich viele – neue Welten eröffnen sich. Jede Stadt ist anders, wo man hinkommt immer wieder neue faszinierende Landschaften, und überall so freundliche Menschen – zumindestens fast überall. Inder und noch viel mehr Reisende. Ich kann sie gar nicht aufzählen, die vielen nächtlichen und teilweise auch tiefsinnigen Gespräche.

Dieses Land zieht andere Reisende an als Südostasien, es wird weniger getrunken und viele Leute, die länger bleiben, suchen weitaus mehr als nur das Abhaken von Sehenswürdigkeiten. Durch diese vielen Gespräche habe ich nicht nur viel über das Land, sondern auch eine Menge an unterschiedlichen Lebensentwürfen bzw. deren Suche kennengelernt. Manchmal hatte ich jedoch auch das Gefühl, dass dieses Land nur eine Projektionsfläche ist, eine Spielwiese, auf der Reisende sich selbst ausprobieren – und ich war da wohl keine Ausnahme.

Diese Begegnungen, das Herumreisen mit Bus und Bahn – ein eindrückliches, enges, freundliches und farbenfrohes Erlebnis, die Vielzahl an Gerüchen, Lärm, Farben, Schmutz und Staub – ein Angriff auf alle Sinne (ich weiß es ist ein Klischee aber es stimmt wirklich), dazu unglaubliche und berührende Naturerlebnisse in Hampi (natürlich!) aber genauso in den Bergen der westlichen Gats, oder der Wüste in Rajasthan oder am Meer in Kerala. All dies und noch viel mehr haben diese fünf Monate zu einem genialen Erlebnis werden lassen.
Der Einstieg war sanft – Entspannung am Strand, statt eine Metropole zum Anfangen, wie so viele andere Reisende, die dann Wochen unter dem Kulturschock leiden; und die Idee ist voll aufgegangen. Ich wollte das Land mögen und tat es von der ersten Sekunde an, mit all seinen Widersprüchen. Trotzdem gibt es immer wieder die Momente wo man sich einfach nur an den Kopf greift – bei Dreck und Umweltverschmutzung, unglaublich verstaubten Bürokraten, vorsintflutliche Einstellungen zu Geschlechterfragen, Armut, Krankheit und vieles mehr. Und dann wieder die Vielfalt und Farbenpracht, die vollen und dreckigen Straßen, die Unzahl an Händlern und Kleingewerbetreibenden, die Enge …… aber auch eine faszinierende Natur in allen Varianten und Schattierungen, Tempel in allen Farben und Formen und und und und und… Ich stelle mir Indien nicht als Land, sondern als Kontinent vor, das vermag diese Vielfalt noch ein wenig zu erklären. Und jeder Bundesstaat mit seiner eigenen Kultur, Sprache, Göttern und Landschaften ist wie ein Land. Und doch gibt es eine gemeinsame kulturelle Basis – wie in Europa. Indien war für mich wie eine Wundertüte – ein Angriff auf alle Sinne, manchmal positiv manchmal negativ.
Der indische Alltag (natürlich mit dem Luxus einer westlichen Touristin) ist für mich in diesen fünf Monaten normal geworden und der Kulturschock beim Zurückkommen erscheint mir fast größer als fünf Monate zuvor, als ich bleichgesichtig und sehr aufgeregt einreiste. Ich genieße nun den Luxus von warmen Wasser, Trinkwasser aus der Wasserleitung, geheizten Wohnungen und Breitband Internet. Und doch kommt mir alles ein bisschen blutleer und klinisch vor. Warum ist alles so perfekt und sauber doch gleichzeitig so grau und leer. Das bunte Leben nur mehr auf meinem Computer, auf dessen Festplatte sich fast 35 GB an Fotos sammeln.
Bezüglich Yoga habe ich mir schon vor meiner Reise Gedanken gemacht. Nach einigen Stunden an Internet Recherchen war mir klar, dass das Angebot zu unübersichtlich ist, um ohne konkrete Tips etwas Vernünftiges zu finden. Was ich aber gefunden habe, ist ein erneuter und tieferer Zugang zu Natur. In manchen Orten (insbesondere Hampi und Kodaikanal in den westlichen Gats) habe ich eine ganz tiefe Verbundenheit mit der Natur gespürt. Ich bin förmlich in ihr aufgegangen, bewunderte die Fülle und die unglaublichen Details. Und nicht zu vergessen die Nächte Sonnenauf- und Untergänge, Vollmonde in unglaublichsten Farben oder einfach nur tiefe finstere Nacht, in einer bisher unbekannten Intensität. Das habe ich auch mit nach Hause genommen – bei meinen Spaziergängen hier, merke ich dass ich die Natur um mich herum anders aufnehme, und sowohl achtsamer als auch freudiger das Wetter, das Grün und den aufkommenden Frühling geniessen kann.

Spirituell gesehen waren die fünf Monate eine Übung in Vertrauen. Wer in Indien ohne Vertrauen reist, kann – so glaube ich – nicht glücklich werden. Vertrauen, im richtigen Bus zu sitzen, obwohl man keine Ahnung hat, wo er hin geht; Vertrauen darauf die Unterscheidungskraft (im Yoga Viveka) zu haben auf welche Personen ich mich einlassen kann und auf welche nicht, aber auch längerfristig gesehen zu lernen, dass ich mir diese tolle Gelegenheit so lange zu reisen nicht mit Gedanken über meine Zukunft belaste, sondern darauf vertraue, dass sich alles irgendwie ergeben wird (was es dann im Endeffekt auch getan hat, aber dazu mehr ein anderes Mal)
Ich bin ohne große Erwartungen aufgebrochen und wollte einfach meine Chance nutzen, eine lange Reise machen zu können. Und Indien kam mir gerade recht. Ich war noch nie dort, und als begeisterte Yogini in das Geburtsland des Yoga zu fahren, schien mir auch irgendwie angebracht. Diese fünf Monate waren einfach eine geile Zeit. Ich habe soviel gesehen und erlebt, wie seit Jahren nicht mehr. Und ich glaube, ich bin wieder ein kleines Stückchen gewachsen. Und letzteres werde ich auch in Zukunft gut gebrauchen können… doch dazu ein anderes Mal mehr.

Zum Abschluss hier die Reise einmal im Zeitraffer:
Die ersten Wochen waren dem Ankommen gewidmet. Zuerst in Agonda (Goa) am Strand abhängen und dann in Hampi, dieser wunderbaren Landschaft, die mein Herz berührt hat. Später Herumreisen – Tempel und Moscheen in Badami und Bijapur, modernes urbanes Feeling in Bangalore. In Kerala besichtige ich die koloniale Stadt Cochi und dann gehts in die Berge. Kumily und Munnar – ausgedehnte Hügellandschaften mit Tee- und Kaffeeplantagen, klare Luft und kühleres Klima. So schön ich das Meer finde, in den Bergen geht mir das Herz auf. Weihnachten und Neujahr verbringe ich dann nahezu alleine in einem Miniguesthouse direkt am Meer. Ich genieße die Einsamkeit und lese viel. Nach einer kurzen Resozialisierungsphase in einem gut besuchten Guesthouse nur wenige Kilometer weiter, steige ich in den Flieger nach Rajasthan, wo ich mit einer Freundin im Sauseschritt durchreise. Acht Orte in knapp vier Wochen geben uns zwar einen guten Eindruck von diesem Bundesstaat – am Ende fühle ich mich jedoch überwältigt von der Vielzahl an Eindrücken, und werde kurz nach meiner darauffolgenden Ankunft in Goa prompt krank. Ein zweiter Aufenthalt in Hampi hat nicht nur einen Artikel zum Ergebnis sondern ich finde auch wieder meine Ruhe, während ich dort in die Landschaft eintauche. Das letzte Monat verbringe ich dann wieder im Süden, eine Woche am Meer, die wunderbaren Sonnenauf- und Untergänge an der südlichsten Spitze Indiens und drei Wochen in den Bergen auf 1700 Meter Seehöhe, wo ich dann gar nicht mehr weg will, weil ich dieses einfache Leben auf der Höhe mit Aussicht und einer netten Community so schätzen gelernt habe.
Und zum Abschluss noch ein Hinweis auf meinen Artikel zum Thema als Frau alleine in Indien Reisen.
Und hier die Route auf google maps: